[4887 Albrecht Kunkel: Leitartikel im Spektrum 1993/8, 3, und Leserbrief.] "Im Experiment sind durch die kombinierte Anwendung des Marfanil und des Gasšdemserums oft 100% Heilerfolge zu erzielen, selbst wenn man gleichzeitig 3 oder 4 verschiedene Gasšdemkeime in die Wunde einbringt und alle nicht behandelten Kontrollen innerhalb von 21 bis 48 Stunden sterben." So endet ein Artikel von Gerhard Domagk aus dem Jahre 1943. Domagk hatte die Sulfonamide in die Chemotherapie bakterieller Infektionen eingefŸhrt und war dafŸr 1939 mit dem Nobelpreis fŸr Medizin und Physiologie ausgezeichnet worden; Ÿberreicht bekam er ihn nach Ende des Zweiten Weltkriegs. Experimentiert wurde ab 1942 aber nicht mit Tieren, sondern - wie der ReichsfŸhrer SS Heinrich Himmler im Mai 1942 "zur schnellen Lšsung der Sulfonamidfrage" befahl - mit Menschen. Die Versuche wurden unter der Oberleitung des Reichsarztes der SS, Dr. Grawitz, vom SS-BrigadefŸhrer und Generalmajor der Waffen-SS Prof. Dr. med. Karl Gebhardt vorwiegend an weiblichen HŠftlingen des Konzentrationslagers RavensbrŸck durchgefŸhrt. Das Ziel der Menschenexperimente bestand zunŠchst in der Erzeugung eines solchen Gasbrandšdems, wie es auch unter Kampfbedingungen in der Truppe auftrat. In der Folge wurden von Versuchsserie zu Versuchsserie immer schlimmere Verfahren angewendet: Man brachte zum Beispiel Holzteile oder Erde in die chirurgisch gesetzten Wunden ein [manchmal scho§ man den MŠdchen auch einfach in die Beine, um Schu§wunden zu imitieren] oder trennte ganze Muskel vom Blutkreislauf ab, woraufhin sich fulminante Infektionen entwickelten. Viele Opfer starben. ------------------------------------------------ Es gab noch viele andere Grausamkeiten, und sie sind schon lang bekannt: 4916 Alexander Mitscherlich/Fred Mielke: Medizin ohne Menschlichkeit. Fischer TB 1978. Eine kurz nach dem 2. Weltkrieg erstellte Dokumentensammlung, die zunŠchst in 10.000 Exemplaren nur den €rzten zugŠnglich war und ein erstes Mal 1960 im Fischer-Taschenbuch-Verlag veršffentlicht wurd. Mitscherlich war als junger Privatdozent Leiter der " Deutschen €rztekommission beim 1. Amerikanischen MilitŠrgerichtshof in NŸrnberg. Keiner, der dem Apparat des Hitler mitgedient hatte, schob in seine Verteidigung den einfachen Satz ein: Es tut mir leid.