From sensenig@FC.ALPIN.OR.AT Sun Feb 9 10:29:47 1997 Date: Sun, 9 Feb 1997 09:57:30 +0100 From: Eugene Sensenig Reply-To: FEMALE-L To: Multiple recipients of list FEMALE-L Subject: affirmative action-smrzka HINTERGRUNDINFORMATION FUER Barbara Smrzka Befuerworter und Gegener sind sich einig Affirmative Action steht heute am Scheideweg. Die bisherigen internationale Erfahrungen haben eines deutlich gemacht: die Versuchung auf Quoten zurueckzugreifen ist zwar unzulaessig jedoch unwiderstehlich. So werden nicht nur in den USA, sondern inzwischen auch in Suedafrika schwarze Frauen bevorzugt, um die Einstellungsziele moeglichst rasch zu erfuellen. Viel zu oft wird dabei nicht auf Qualifikation und Leistung, sondern lediglich auf Ethnizitaet und Geschlecht geachtet. Diese zwar verbotene, jedoch allzu verbreitete Schnellsiedermethode schadet nicht nur den betroffenen "Quotenopfern" (weisse Maenner) und Institutionen. Die bevorzugten Minderheiten und Frauen leiden genauso darunter. Die einzigen Nutzniesser dieser Umgehungspolitik sind die Mitarbeiter der Personalabteilungen und Aufnahmebueros, die sich somit die vom Gesetzgeber beabsichtigte aufwendige und kostspielige "out reach" (zeilgerichtete Anwerbung und Foerderung) ersparren. Frauen und Minderheiten muessen entsprechend ihres Anteils an der Bevoelkerung auf allen Ebenen vertreten sein. Daueber sind sich fast alle einig. Diesen gemeinsamen Nenner in der Affirmative Action Debatte bringt Michael Barone im renommierten Monatsheft des neokonservativen Thinktanks American Enterprise so zum Ausdruck: "Arbeitgeber und Bildungseinrichtungen (sollen) den Anteil der Schwarzen erhoehen, in dem sie ein gemeinsames Leistungsniveau festlegen und dann mit aeusserster Anstrenung versuchen die Leistungsfaehigkeit der Schwarzen zu erhoehen." (1/1997, S.38) Nach diesem Modell soll garantiert werden dass Minderheiten und Frauen nicht nur auf den unteren Hierarchierebene aufgenommen werden, sondern dass sie auch in den oberen Etagen vertreten sind. Strittig bei der Einschaetzung des aktuellen Stands der Affirmative Action scheint lediglich die Frage zu sein, wie man von den schaedlichen Schleichquoten wegkommt. Selbstkritische Linke und konstruktive Rechte haben schon laengst erkannt, dass es gerade diese Scheinfoerderung ist, die die "glaeserne Decke" so wirksam macht. Die nicht ernste gemeinte Beguenstigung von Frauen und Minderheiten sorgt naemlich dafuer, dass diese Zeilgruppen in den USA derzeit bis den mittleren Hierarchieebenen aufsteigen koennen, dort jedoch von einer unsichtbaren (glaeserne) Sperre aufgefangen und ausgefiltert werden. Aus dieser Sackgasse gibt es heute noch keinen eindeutigen Ausweg. Einig ist man jedoch darueber, dass Affirmative Action in Hinkunft den beruflichen Interessen der Belegschaften und akademischen Beduerfnissen der Studierenden dienen muss und nicht den Verlangen der Buerokratie nach schnellen Loesungen. 2) (Gewinn fuer Unternehmen und Hochschulen) Affirmative Action ist keine Einbahnstrasse Viele Unternehmen und Bildungseinrichtungen haben die Erfahrung gemacht, dass sog. "Diversifizierungsplaene" (DP) die Qualitaet ihres Produktes deutlich erhoehen und ihre Image spurbar verbesseren. Warner-Lambert Canada Inc. Dieser Produzent von Gesundheits- und Koerperpflegeprodukte mit Niederlassungen in 130 Laendern profitiert in zweierlei Hinsicht von AA: 1) die multikulturelle Belegschaft hilft bei der Produktentwicklung, damit die Beduerfnisse der Kundschaft international befriedigt werden; 2) AErzte aus anderen Kulturkreisen in Kanada koennen optimal durch Mitarbeiter der Firma, die aus einem aehnlichen Kulturkreis stammen betreut werden. General Motors Marketingfehler koennen durch die Beiziehung von Beschaeftigten aus anderen Kulturkreise vermieden werden. Klassisches Beispiel: Chevrolet Nova: After a lot of analysis in all the appropriate technical areas, the reason for its failure to sell in Central and South America abruptly became crystal clear when a Spanish-speaking employee pointed out that "no va" in Spanish meant "no go!" Reebok Marketinginnovationen werden ermoeglicht. Reeboks Aufstieg vom $12 Millionen Schuhhersteller zum $3 Millionen Emperium ist die Einbeziehung von Frauen in der Produktionsentwicklung zu verdanken. Die weibliche Mitarbeiter von Reebok machten die R&D Abteilung auf den Mangel an guten Aerobic-Schuhe aufmerksam und Reebok koennte darauf den Markt erobern. Directors of six of Toronto Hotels Ergebnis war, dass Diversifizierung neue Kundenkreise anzog, diese Hotels wurden darueberhinaus bekannt als Minderheitenfreundlich; die Zusammenarbeit zwischen den Minderheitengruppen im Betrieb wurde verbessert; die Ghettobildung in den Abteilungen (Chinesen in den Waeschereien, Westindern in der Mitarbeitercafeteria, weisse Kanadier in den Bueros, usw.) konnte durchbrochen werden. Ein unerwartetes Plus war, dass die Sensibilisierungskurse erstmals die kulturell unterschiedlichen Erwartungen zwischen den weissen Mitarbeitern aus Europa und Nordamerika offenlegten. aus: Ontario Gateway to Diversity Home Page: Eugene Sensenig _____________________________________________ Sent via alpin - Salzburger Informations-Zone From sensenig@FC.ALPIN.OR.AT Sun Feb 9 10:33:48 1997 Date: Sun, 9 Feb 1997 10:00:42 +0100 From: Eugene Sensenig Reply-To: FEMALE-L To: Multiple recipients of list FEMALE-L Subject: Re: barbara smrzka-USA/Europe HISTORISCHE UND AKTUELLE BEISPIELE FUER Barbara Smrzka - USA, Schweden, Belgien Ist Amerika oft Vorbild fuer Europa, so uebernimmt Kalifornien diese Rolle innerhalb der Vereinigten Staaten. Gleichzeitig mit den Praesidentschaftswahlen am 4. November vorigen Jahres stimmte die Bevoelkerung des groessten Bundeslands der USA mehrheitlich fuer die vollstaendige Abschaffung der Affirmative Action Programme Kaliforniens. Die zynisch betitelte "California Civil Rights Initiative" hat bereits Nachahmer in den bevoelkerungsreichen Bundeslaendern Illinios (Chicago) und Florida (Miami) gefunden. Aber auch in Westeuropa wird diese Rollback-Initiative immer oefter als Beweis fuer das Scheitern der Frauen- und Minderheitenfoerderung zitiert. Ein hochraengiger Bundesrichter negierte mit einer einstweiligen Verfuegung das Mandat des minderheiten- und frauenfeindlichen Referedum in Kalifornien noch 1996. Im 50jaehrigen Kampf um die Hegemonie im Lande haben die Liberalen einen deutlichen Zwischensieg davontragen koennen. Zwischen Links und Rechts herrscht derzeit eine Pattsituation. Erfinder der amerikanischen Affirmative Action war der Sozialreformer Franklin Delano Roosevelt. Die fast ausschliesslich maennlichen weissen Staatsbeamten, Unternehmer und Gewerkschaftsfunktionaere sperrten sich naemlich gegen die Beschaeftigung von Schwarzen und Frauen in den amerikanischen Ruestungsindustrien. Mit einem "Exekutivbefehl" (Executive Order) brach Roosevelt ihren Widerstand. Ab 1945 wurden Frauen und Minderheiten durch die heimkehrenden weissen Maenner von den begehrten Arbeitsplaetzen in der Produktion verdraengt. John F. Kennedy griff die Minderheitenfoerderung 1961 wieder auf. Der Begriff Affirmative Action (bestaetigende Foerderungsaktionen) stammt von ihm. Seine beiden Nachfolger, der Demokrat Lyndon Johnson und der Republikaner Richard Nixon, dehnten die berufliche Foerderungspolitik auf Frauen aus(1968) und fuehrte das Konzept der staatlichen Sanktionen erstmals ein(1969). PATSTELLUNG ZWISCHEN LINKS UND RECHTS Widerstand gegen Affirmative Action kam zuerst von den reaktionaeren Eliten der Suedstaaten und der Gewerkschaftsbuerokratie des Nordens. Kernpunkt ihrer Ablehnung waren die oeffentlichen Zwangsmassnahmen, die gegen Unternehmen, Auftraggeber und Bildungseinrichtungen angewendet wurden bei einer Verweigerung der Frauen- und Minderheitenfoerderung. Die Fronten haben sich inzwischen etwas verschoben. Heute stehen die Demokratische Partei, die Frauen- und Minderheitenorganisationen, die Gewerkschaften und die fuehrenden Hochschulen des Landes einer Koalition gegenueber bestehend aus der Republikanischen Partei, den rechtsgerichteten protestantischen Kirchen und den von den US-Multis finanzierten Thinktanks der Neuen Rechten. Zentraler Streitpunkt bleibt das Recht der oeffentlichen Hand Diskriminerung nicht nur zu verbieten, sondern genauso mangelndes Engagement bei der Foerderung ihrer Opfer zu bestrafen. ATLANTISCHER GLEICHSCHRITT Die Affirmative Action Programme Nordamerikas und Westeuropas liegen nicht weit auseinander. Englaender, Hollaender, Amerikaner und Kanadier stimmen ueberein, dass Frauen- und Minderheitenfoerderung folgende Eigenschaften aufweisen sollte: Quoten und positive Diskriminierung sind abzulehnen. Foerderungsprogramme bevorzugen Frauen und Minderheiten nur, wenn sie annaehernd gleich qualifiziert sind. Entgegen der Behauptung vieler europaeischer "Experten" waren Quoten in den USA nie vorgesehen und bereits unter Nixon (1970) ausdruecklich verboten. Geschlects- bzw. Volksgruppenneutrale Alternative sind wuenschenswert. Arbeitgeber, oeffentliche Auftraggeber und Bildungseinrichungen koennen ihre eigenen Foerderungsziele zahlenmaessig und zeitlich selber bestimmen. Wichtig ist, dass sie ernsthaft (in good faith) durchgezogen werden. Die Ergebnisse werden regelmaessig veroeffentlicht. OEffentliche Rahmenvorgaben sollen flexibel und unaufdringlich sein. Parteien, die ihre eigenen Affirmative Action Programme nicht ernsthaft umsetzen, gehen (in Kanada, Holland und USA) das Risiko ein, saemtliche oeffentlichen Subventionen, staatlichen Auftraege und steuerliche Beguenstigungen zu verlieren. Sanktionen sollen jedoch vorsichtig angewandt werden. Affirmative Action ist voruebergehend. Foerderungsprogramme sollen vergangenes Unrecht wiedergutmachen. Erreichen Parteien ihre gesteckten Zielen, koennen die Programme voruebergehend oder auf Dauer eingestellte werden. Ein Gleichgewicht der Interessen muss vorherrschen. Firmeninteressen und die Beduerfnisse der Gesamtbelegschaft sind zu beruecksichtigen. Qualifikation (merit) hat weiterhin Vorrang. Kritik Die Metropolen des globalen Weltmarktes verfolgen unterschiedliche Gleichbehandlungstrategien. Antidiskriminierung existiert in Ostasien nur auf dem Papier. Frauen- und Minderheitenfoerderung sind Fremdwoerter in Japan Incorporated. Ausserhalb Europa ist Nordamerika Vorreiter bei Affirmative Action, aber auch Australien und Suedafrika weisen weitreichende Affirmative Action Programme auf. In Europa gibt es lediglich in drei Laendern, Grossbritannien, den Niederlanden und Schweden, staatlich sanktionierte Foerderungsprogramme. Die Debatte fuer und wider Affirmative Action gestaltet sich in all den genannten Laendern aehnlich. Hauptvorwurf gegen oeffentlich vorgeschriebene Frauen- und Minderheitenfoerderung ist die in vielen Laendern festzustellende Gewohnheit, sich unzulaessiger Abkuerzungen (short cuts) zu bedienen, um die selbst gesteckten Foerderungsziele moeglichst rasch und billig verwirklichen zu koennen. Vor allem in den USA hat sich die Praxis zahlreicher Manager, Frauen und Minderheiten "by the numbers" einzustellen und zu befoerdern den berechtigten Vorwurf der Einfuehrung von Quoten auf dem Schleichweg eingehandelt. Nach der "Affirmative Action Review" des Weissen Hauses vom Juli 1995 wird diese Tendenz zur versteckten Quotierung scharf kritisiert, da Qualifikation und Leistung als Kriterien ausgeschalten werden (http://www.whitehouse.gov/WH/EOP/OP/html/aa/aa-index.html). internationale UEbersicht aussereuropaeische englischsprachige Laender: In Kanada, den USA und Australien gehoert Minderheitenfoerderung zum politischen Alltag. Da sich Kanada offiziel als multikulturelle Republik versteht, sind die Affirmative Action Programme dieses Landes am weitreichensten. Seit den Wahlen in Suedafrika im April 1994 wird Diskriminierung auf Basis des Geschlechtes, Ethnizitaet und sexueller Praeferenz verboten. Affirmative Action Bestimmungen sollen vergangenes Unrecht wiedergutmachen. Westeuropa Die Laender Westeuropas lassen sich in Hinblick auf die gegenwaertigen Affirmative Action Debatte in fuenf Kategorien einteilen: - Laender, in denen AA staatlichlicherseits vorgesehen ist: Grossbritannien, die Niederlanden und Schweden; - Laender, in denen AA auf privater Basis existiert: Belgien; - Laender, in denen AA d.Z. von den Parteien und Sozialpartnern skeptisch bis ablehnend betrachtet werden: Daenemark, Deutschland, Finland, Frankreich, Luxemburg, Norwegen, Schweiz; - Laender, in denen es erst seit kurzerem eingewanderten ethnisch Minderheiten gibt, wodurch die AA Debate erst am Anfang steht: Griechenland, Irland, Italien, Portugal,Spanien; - Laender, in denen Diskrimierung gegen ethnische Minderheiten gesetzlich vorgesehen ist: OEsterreich (sic!). Die folgenden Beispiele verdeutlichen die Vielfalt der Erfahrungen mit Affirmative Action (AA). Da sich die Foerderungspolitik in den NL und GB mit der Praxis im aussereuropaeischen Raum deckt, wurden Beispiele aus Schweden und Belgien ausgewaehlt, um eine groessere Streuung zu ermoeglichen. Abschliessend sollte bemerkt werden, dass OEsterreich als einziges Land Westeuropas Diskriminierung offiziell vorsieht. Dies laesst sich mit der besonders engen Einbindung der Gewerkschaften in das politische System erklaeren. Der OEGB lehnt die Integration von "Gastarbeiter" ab. (Beispiele entnommen aus: European Foundation for the Improvement of Living and Working Conditions (Hg.), Preventing Racism at the Workplace, A Report on 16 Countries, Dublin, 1996.) Schweden Beispiele von AA gibt es in Schweden v.a. im oeffentlichen Bereich. Der Stockholmer Bezirksrat (SLL) weist den hoechsten Anteil von Immigrant in ganz Schweden auf. Besonders hoch ist er in den Bereichen Gesundheit und Verkehr. Der SLL stuft Mehrsprachigkeit bei der Einstellung und Foerderung als wuenschenswert ein. Minderheitenangehoerige, die unter ihrer Qualifikation eingestuft wurden, werden von der SLL umgeschult. Da der Minderheitenanteil im staedtischen Dienst sehr hoch ist, konzentriert sich die Foerderungspolitik weniger auf die Rekrutierung, jedoch umso mehr auf die innerbetriebliche Foerderung . Das oeffentlichen Verkehrsunternehmen Stockholms (SL) beispielsweise beschaeftigt 2,810 ( 28.2%) im Ausland geborenen Minderheitenangehoerige. Das AA Program des SL versucht diesen Personen den beruflichen Aufstieg zu erleichtern. Belgien In Belgien gehen die Bemuehungen um die Integration von Minderheiten am Arbeitsplatz v.a. von den Arbeitgebern aus. Beispiel hierfuer sind der Verband der Christlichen Arbeitgeber und Manager (Verband van Kristelijke Werkgevers en Kaderleden): diese branchenuebergreifende Unternehmerorganisation hat im Grossraum Bruessel ein "Vielfalt Management" Programm eingefuehrt, womit u.a. die Beschaeftigung und berufliche Foerderung von Immigranten verbessert werden soll. Die zentralen christlichen Abeitgeberverbaende ADIC und VKW haben mit Unterstuetzung der "Fondation Roi Baudouin" eine Initiative gegen ethnische Diskriminierung und fuer Foerderung der Vielfalt am Arbeitsplatz gestartet. Derzeit bemueht man sich dahingehend einzelne Mitgliedsorganisationen (die die tatsaechlichen Macht in den Verbaende ausueben) zu ueberzeugen den Richtlinien der Initiative freiwillig zu uebernehmen. Eugene Sensenig Boltzmann-Institut, Salzburg _____________________________________________ Sent via alpin - Salzburger Informations-Zone